Zu viel Tagesfreizeit macht ja bekanntermaßen kreativ. So kam es gerade zwischen meinen beiden Kollegen und mir zu einer Diskussion über Blogs, Podcasts und deren Potential ein weltweites Publikum zu erreichen. Da wir alle in der Medienbranche tätig sind nannten wir dieses Potential im Zuge der Diskussion einfach ein wenig bürokratisch und fachidiotisch "Lesermarkt".
Kurz: Es ging um die Frage, wie es beispielsweise Let's-Player schaffen allein von den Einnahmen von youtube zu leben oder Podcaster ganze Buchpublikationen per flattr stemmen können, während wir mit einem Dinosaurier-Produkt namens "Zeitung" tagtäglich Kosten und Aufwand bis in den Centbereich genau abwägen müssen.
Kollege L. meinte sinngemäß der Erfolg läge schlicht und einfach in der Spezialisierung: Jeder hat Ahnung von irgendwas und kann darüber fachsimpeln. Einen Hang zur Selbstdarstellung vorausgesetzt erreicht man so eben seinen speziellen "Lesermarkt". Dass der finanzielle Aufwand im Vergleich zu einer Zeitungsproduktion verschwindend gering ist liegt ja wohl auf der Hand.
Als gebranntes Kind war ich da schon etwas fatalistischer: Man müsse seinen Blog ja schließlich auch bewerben, damit der "Lesermarkt" auch weiß wo er hin soll - dem "Markt" muss man ja bekanntermaßen alles sieben Mal erklären, bevor er erkennt was ihm gut tut. ("Den Leser pauschal beleidigen" hake ich jetzt auf meiner To-Do-Liste einfach ab).
Oder einfacher und gut österreichisch ausgedrückt: "Liest ja eh keiner, den Schaß!"
Oh wie falsch ich doch lag
Um meine Theorie zu untermauern wollte ich ihm die jämmerlichen Zugriffszahlen dieses kleinen Blogs hier präsentieren. Schließlich besteht dieser erwiesenermaßen hauptsächlich aus polemischen Schimpfkanonaden über die Unzulänglichkeiten dieses Planeten und hat überhaupt nur erbärmliche sieben Posts. Ich lag ja sowas von daneben. Nicht etwa ein "Ball knallt gegen Torpfosten"-Daneben sondern eher "Was, das ist Madrid? Ich wollte doch nach Bratislava!"-Daneben.
1.265 Aufrufe hat dieser Blog mittlerweile. Damit hätte ich schon nicht gerechnet, was mich aber tatsächlich beeindruckt - und ein wenig gruselt - ist die Tatsache woher der "Lesermarkt" kommt. Nämlich aus den USA. Und das zu mehr als der Hälfte. Ich sag' jetzt einfach mal "Danke" an NSA und Google. Ihr seid gruselig, aber cool - zumindest so lange ihr mein Lesermarkt seid. Aber nicht, dass ihr mich ausspioniert, gell?
Erst danach folgt Österreich - kein Wunder, schließlich wird dieses mysteriöse eurasische Bergvolk wohl als einzige Worte wie
"Schaß", "leiwand" und anderes aus den Untiefen meines Wortschatzes verstehen. An die gar nicht so wenigen deutschen Leser: Macht euch nix draus, ich versteh meist auch nicht alles, was mir so an österreichisch um die Ohren gehauen wird.
Besonders bedanken möchte ich mich bei den Lesern aus der russischen Föderation, den Niederlanden, Tschechien, Polen, Israel und Japan: Ich habe keine Ahnung, wie ihr euch hierher verirrt habt, aber Danke fürs Vorbeischauen. Hinterlasst mir doch einen Kommentar, das würde mich echt interessieren.
Anscheinend gibt es also doch einen Lesermarkt für "den Schaß". Manchmal kann irren so schön sein. Danke!